Bildrauschen ist das Grundproblem der Astrofotografie. – Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich diesen wahren Satz auf meinem Blog bereits zum Besten gegeben habe.
Wegen der dunklen Lichtverhältnisse muss beinahe zwingend der ISO-Wert auf ein Niveau angehoben werden, das beinahe zwangsläufig in sichtbarem Bildrauschen resultiert.
Ich bin kürzlich von meiner Sony Alpha 6400 mit APS-C-Sensor auf die Sony Alpha 7 III mit Vollformatsensor umgestiegen, nur um vom geringeren Bildrauschen des Vollformatsensors zu profitieren.
Um das grobkörnige Rauschen noch weiter zu reduzieren, stacke ich alle meine Astrofotos mit dem kostenlosen Tool Sequator.
Mit Vollformatsensor und gestackten Bildern bekommt man das Problem schon ganz gut in den Griff. – Ganz verhindern lässt es sich jedoch nicht.
Um die bestmögliche Bildqualität aus meinen (Astro-)Fotos heraus zu kitzeln, bin ich daher stetig auf der Suche nach weiteren Optimierungsmöglichkeiten.
Klar – mit den gängigen Entwicklungstools kann ein Bild mit diversen Modulen auch entrauscht werden. – Diese Methode stellt jedoch immer einen Kompromiss dar, denn das Entrauschen bringt zwangsläufig auch einen gewissen Grad an Unschärfe mit sich und Details gehen verloren.
Wie genial wäre es denn, wenn es eine Möglichkeit zur Reduzierung von Bildrauschen ohne Detailverlust gäbe?
Weiterführendes Thema zum Schlagwort "Bildrauschen":
Du ahnst es sicher schon… genau hier setzt nämlich die Software Topaz Denoise AI an.
Inhalt:
Deep Learning zur Unterscheidung von Bildrauschen und Details
Der Hersteller verspricht, dass die Software anhand Millionen angelernter Bilder dank „Deep Learning“ in der Lage ist, zwischen Bildrauschen und Details unterscheiden zu können. – Klingt ziemlich vielversprechend und wenn das Versprechen nur annähernd stimmt, wäre das ein echter Gewinn für die Astrofotografie.
Ich habe mir daher vor Kurzem die Software heruntergeladen und anhand meiner Astro- aber auch Landschaftsfotos auf Herz und Nieren getestet.
Ob sich Topaz Denoise AI eignet, um Astrofotos aufzupolieren bzw. zu optimieren, erfährst Du im Laufe dieses Beitrags.
Benutzeroberfläche und Handling
Nachdem der beeindruckend große Download (3 GB) des Programms abgeschlossen und Topaz Denoise AI installiert war, konnte ich es natürlich nicht abwarten und öffnete das Programm.
Begrüßt wurde ich von einer erfreulich überschaubaren Benutzeroberfläche, die aufgeräumt wirkt und keine besondere Einarbeitung erfordert.
Nachdem man wahlweise ein Bild per Drag&Drop in das Fenster zieht oder per Datei-Explorer öffnet, wird das zu bearbeitende Bild standardmäßig in einer Vorher-Nachher-Ansicht dargestellt:
Um nun das Bild dem eigentlichen Zweck von Denoise AI zuzuführen, kann zwischen fünf Optimierungsmodellen gewählt werden:
- Standard
- Clear
- Low Light
- Severe Noise
- RAW
Das Feintuning kann dann wiederum durch Anpassung der Schieberegler „Remove Noise“, „Enhance Sharpness“, „Recover Original Detail“ und „Color Noise Reduction“ vornehmen.
Im Programm sieht das wie folgt aus:
Ehrlicherweise habe ich mich mit diesen jedoch noch nicht befasst, sondern bin mit Anwendung des Standard-, Low Light- oder des Severe Noise-Modells ganz gut gefahren.
Meine Empfehlung für die (Landschafts-)Astrofotografie mit APS-C: Sony Alpha 6400 (Kit, 16-50mm)* |
Tiefstpreis |
779,00 € |
Im Wesentlichen waren das alle Einstellungen, die für die Verwendung des Programms relevant sind. – Erfreulich übersichtlich und erfreulich wenig Einarbeitungsaufwand!
Nach Anwendung eines der Modelle kann man sich durch die sehr gut gelöste Vorher-Nachher-Darstellung von der Wirksamkeit überzeugen und bei Bedarf das Modell oder die Feinseinstellungen nachjustieren.
Beispiele
Kommen wir nun zum wohl interessantesten Teil des Beitrags – nämlich zu der Frage, wie gut sich die Software nun eigentlich bei Astrofotos schlägt und wie stark das Bildrauschen reduziert wird.
Kurz zu den Grundlagen der Aufnahmetechnik der Beispielaufnahme: Fotografiert wurde mit der Sony Alpha 7 III und dem Sony SEL20F18G. Insgesamt wurden 16 Aufnahmen mit jeweils 10sec Belichtungszeit, Blende f/2.8 und ISO 1600 gemacht und danach mit dem Tutorial Astrofoto: Milchstraße fotografieren & entwickeln mit darktable, GIMP & Sequator entwickelt.
Weiterführendes Thema zum Schlagwort "ISO":
Im Zuge der Entwicklung fand auch Stacking Anwendung, sodass dadurch das Bildrauschen schon im Vorfeld stark reduziert war.
Das endgültige Bild sieht folgendermaßen aus:
Los geht’s mit den Beispielen…
Beispiel 1: Milchstraße und galaktisches Zentrum
Das erste Beispiel zeigt einen stark vergrößerten Ausschnitt des galaktischen Zentrums:
Der Unterschied zwischen Original und Korrektur ist recht eindeutig zu erkennen: Links sieht man schon direkt das Bildrauschen, rechts dagegen nicht. Das Original wirkt regelrecht grobkörnig gegen die optimierte Version.
Mein Favorit für die Landschafts-Astrofotografie: Sony FE 20mm f/1.8 G* |
884,25 € |
Obwohl DeNoise AI im Modus „Severe Noise“ angewandt wurde, gingen keine feinen Details (wie bspw. Sterne) verloren.
Das Ergebnis kann sich schonmal sehen lassen.
Beispiel 2: Vordergrund
Dass die Anwendung im Sternenhimmel durchaus Sinn macht, konnten wir am vorangehenden Beispiel sehen. Doch wie verhält es sich mit dem Vordergrund?
Hier ein Beispiel nach dem gleichen Schema wie oben, d.h. links befindet sich das unveränderte Bild, rechts das mit DeNoise AI entrauschte:
Vor allem bei Vergrößerung ist im Vordergrund direkt zu erkennen, dass das Rauschen auf der Straße bzw. dem Weg erheblich reduziert wurde.
Bis hierhin schlägt sich Topaz DeNoise AI ganz gut…
Nebeneffekte
Wo Licht ist, ist bekanntlich aber auch Schatten.
Während meiner Arbeit mit der Software sind mir vor allem zwei Aspekte negativ aufgefallen:
- Manchmal schluckt die Rauschreduzierung zu viele Details.
- Selten treten Artefakte im Sternenhimmel auf.
Problem 1: A touch too much? – Details verschluckt.
Das nachfolgende Beispiel ist ein Extremfall im Modus „Severe Noise“:
Innerhalb des obigen, roten Kastens ist deutlich zu sehen, dass Denoise AI viele Details verschluckt und diese optisch mit einem durchgehenden Stück Asphalt ersetzt.
Noch immer kein altes Eisen: Sony Alpha 7 III* |
1.233,90 € |
Dieser Effekt trat bei mir nur im Modus „Severe Noise“ auf, nicht in allen anderen.
Nun liegt es an einem selbst, ob dieser Eingriff bereits zu weit geht, d.h. das Bild zu stark verfremdet wird, oder ob sich das noch mit der eigenen Toleranzgrenze vereinbaren lässt.
Ich war anfangs auch skeptisch, allerdings fällt diese Korrektur nur bei extremer Vergrößerung auf – und das auch nur, wenn man es weiß. Ein Dritter wird das gar nicht erst bemerken, da er das Original nicht kennt.
Falls dennoch etwas weniger AI und mehr Bildrauschen gewünscht ist, kann das jeweilige Modell über die oben genannten Optionen noch feinjustiert werden.
Problem 2: Artefakte / Bildfehler
Noch etwas gravierender als die verschluckten Details sind Bildartefakte, die – ebenfalls nur im Modus „Severe Noise“ – insbesondere im Sternenhimmel auftreten:
Diese Artefakte trüben den positiven Gesamteindruck leider etwas.
Zwar treten diese nur im Modus „Severe Noise“ auf, allerdings dürfte dieser wegen der hohen ISO-Werte und des starken Bildrauschens für die Astrofotografie der Modus der Wahl sein.
Weiterführendes Thema zum Schlagwort "ISO":
Es gilt also, das Bild nach Bearbeitung in Denoise AI nochmals gründlich zu prüfen, um solche Artefakte zu erkennen.
Bei einzelnen Aufnahmen treten diese Artefakte leider reproduzierbar auf. D.h.: Einmal Artefakt, immer Artefakt.
Bleibt in solchen Fällen als Lösung nur, entweder einen anderen Modus zu wählen oder die (kleinen) Artefakte im Nachgang nochmals z.B. mit dem Klon- oder Reparatur-Werkzeug von GIMP zu entfernen.
Um eine Einschätzung der Größe des obigen Artefakts treffen zu können siehst Du nachfolgend noch das Gesamtbild mit markierter Bildstörung:
Die Gesamtleistung, d.h. das Entrauschen von Astrofotos im Modus „Severe Noise“ bleibt jedoch unbestritten sehr gut. Es werden / wurden weder Sterne noch andere Details verschluckt.
Die erwähnten Artefakte konnte ich bisher in etwa 5 bis 10% der bearbeiteten Astrofotos finden und im Nachgang auch leicht korrigieren.
Heimspiel: Landschaftsfotografie
Zugegebenermaßen ist die Astrofotografie ein Nischenbereich und Extremfall der Fotografie. Dass es hier zu Problemen kommt, lässt sich – meines Erachtens nach – verschmerzen, zumal bei weitem nicht alle Bilder betroffen sind und DeNoise AI nicht speziell dafür entwickelt wurde.
Weiterführendes Thema zum Schlagwort "Astrofotografie":
Unbestritten bleibt, dass die Software eine beachtliche Leistung liefert und die Bildqualität teilweise erheblich verbessert.
Richtig auftrumpfen kann DeNoise AI dann aber vor allem bei der klassischen Landschaftsfotografie unter widrigen Lichtverhältnissen, für die NICHT das Severe Noise-Modell angewandt werden muss.
Das nachfolgende Beispiel zeigt das sehr anschaulich:
Hier habe ich einen Sonnenuntergang fotografiert und musste im Zuge der Entwicklung die Belichtung und den Kontrast ziemlich stark anpassen.
Beide Aktionen brachten unweigerlich Bildrauschen mit sich, die jedoch von Denoise AI hervorragend korrigiert wurden. Mit dem Low Light-Modus wurde das Rauschen nahezu vollständig entfernt:
Fazit
Zugegebenermaßen habe ich mir anfangs mit dem Gedanken schwer getan, meine Fotos mit „künstlicher Intelligenz“ zu optimieren. Schließlich wollte ich das ursprüngliche Foto originalgetreu beibehalten und nicht um künstliche Details anreichern…
Den Ausschlag gab dann eine Werbung auf Instagram, die mich dazu bewog, die Software doch einmal im Rahmen der 30tägigen Testversion auszuprobieren.
Einige Youtube-Videos attestierten der neuesten Version von DeNoise AI auch hervorragende Ergebnisse, wenngleich wohl das Ergebnis bei Astrofotos in der Vergangenheit nicht ganz so überzeugend ausfiel.
Letztendlich bleibt es eine Präferenz des persönlichen Geschmacks, ob man seine Bilder in gewissem Rahmen durch Verwendung künstlicher Intelligenz verändern lassen möchte, oder nicht.
Ich persönlich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Bildqualität verbessert wird und Denoise AI einen wirklichen Nutzen stiftet. Daher habe ich die Software nach einigen Versuchen auch gekauft.
Konsequenterweise veröffentliche ich meine (Astro-)Fotos auf meinem Blog seit etwa Ende August auch schon mit entsprechend korrigiertem Bildrauschen.
Zwar gibt es geringfügige Probleme mit verschluckten Details und Bildartefakten, jedoch können diese leicht durch Wahl eines anderen Korrekturmodells oder durch (nochmalige) Nachbearbeitung korrigiert werden.
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Weiterführende Themen:
- Astrofotografie: Einstieg & Basiswissen
- Astrofotografie FAQ: Häufige Fragen einfach erklärt. Voraussetzungen, Kameraeinstellungen, Bildentwicklung.
- Astrofotografie-Kalender: Mond, Sternschnuppen, Milchstraße und Deep Sky-Objekte auf einen Blick
- Optimale Kameraeinstellungen zur Astrofotografie
- Der ultimative Astrofoto-Guide: Brillante Astrofotos der Milchstraße Schritt für Schritt mit Adobe Lightroom LrC, Photoshop, Sequator und StarXTerminator entwickeln.