Warum es – je nachdem welche Kamera Du besitzt – keinen Unterschied macht, mit welchem ISO-Wert Du Deine Astrofotos aufnimmst, erfährst Du in diesem Beitrag.
In der Astrofotografie gerät das Kameraequipment schnell an seine Grenzen: Die nächtliche Dunkelheit erfordert große Blenden, lange Belichtungszeiten und hohe ISO-Werte.
Während Belichtungszeit und Blende keine negativen, optischen Nachteile mit sich bringen, sind hohe ISO-Werte auf den entstehenden Fotos direkt zu erkennen: Die Bilder werden grobkörniger und das gefürchtete Bildrauschen ist deutlich sichtbar.
In der Astrofotografie ist daher die optimale Wahl des ISO-Werts wichtig: Er sollte nach Belichtungszeit und Blende als letzter Parameter so hoch wie nötig, aber so niedrig wie möglich eingestellt werden.
Das dachte ich zumindest bisher. – Bis ich bei meinen Recherchen im Internet auf zahlreiche Artikel stieß, die die ISO-Invarianz von Sony Kameras zum Inhalt hatten.
Das Beste dabei war, dass sowohl meine
mit ihrem APS-C- als auch die Sony Alpha 7 III mit Vollformatsensor zu den ISO-invarianten Kameras zählten.Mit letzterer Kamera habe ich die Beispielaufnahmen dieses Beitrags gemacht.
Inhalt:
Definition ISO-Invarianz: Was ist das denn jetzt eigentlich?
Hinter ISO-Invarianz steckt die theoretische Annahme, dass es keinen Unterschied macht, ob man den ISO-Wert an der Kamera einstellt oder die Belichtung im Zuge der Nachbearbeitung erst später anpasst.
Heißt also theoretisch: Fotografiert man nachts den Sternenhimmel mit einem ISO-Wert von 1600 und muss zuhause bei der Entwicklung die Belichtung noch um 2 Lichtwerteinheiten (LW / EV) erhöhen, müsste das Bildrauschen identisch zu einer alternativen Aufnahme mit ISO 6400 (+2 LW im Vergleich zu ISO 1600) sein.
Heißt auch: Es spielt beinahe keine Rolle, welchen ISO-Wert man vor Ort wählt.
Eine kleine Ausnahme gibt es aber trotzdem: Kamerasensoren verfügen in der Regel über zwei getrennte, ISO-invariante Bereiche.
So wird bspw. der
nachgesagt, dass der Bereich ISO 100 bis ISO 500 und der Bereich ISO 640 bis 51200 jeweils ISO-invariant sind.Genau der zweite Bereich ist für die Astrofotografie relevant, denn man dürfte nachts selten mit einem ISO-Wert, der kleiner als 640 ist, fotografieren. – Es könnte schlichtweg nicht genügend Licht eingefangen werden und die Bilder wären ziemlich dunkel.
Bleibt also herauszufinden, ob sich verschiedene ISO-Werte tatsächlich nicht negativ auf die Bildqualität auswirken.
Testszenario
Das Testszenario, mit dem ich die ISO-Invarianz meiner Sony Alpha 7 III überprüft, ist schnell erklärt:
Nachdem ich im August eines Abends (wieder einmal) die Milchstraße fotografierte und ein interessantes Motiv gefunden hatte, meine Kamera montiert sowie Belichtungszeit und Blende eingestellt waren, machte ich drei Serien mit je 12 Bildern bei ISO 800, ISO 1600 und ISO 3200.
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Belichtungszeit und Blende hatte ich immer auf 10sec bzw. f/2.8 eingestellt und als Objektiv war das Sony
auf das Bajonett meiner Alpha 7 III geschraubt.Meine Theorie: Wenn ich zuhause in darktable die Belichtung der Aufnahmen mit ISO 800 und der Aufnamen mit ISO 1600 um zwei bzw. eine Lichtwert-Einheit erhöhen würde, müsste das Bildrauschen in beiden fällen identisch zu den Aufnahmen mit ISO 3200 sein.
Ausgangsbasis
Als Ausgangsbasis diente folgende Bildkomposition:
Im direkten Vergleich sahen die Aufnahmen wie folgt aus:
Insbesondere die ISO-800-Variante lässt nicht viele Details erkennen.
Vergleich der Einzelaufnahmen: Das Ergebnis
Ich korrigierte folglich die Belichtung der Bilder in
jeweils auf das ISO-3200-Äquivalent.Wie oben beschrieben folgte hieraus:
- ISO 800 + 2 LW
- ISO 1600 + 1 LW
Hier das Ergebnis (Klick auf das Bild zeigt die 150%-Ansicht):
Du erkennst keinen Unterschied zwischen den drei verschiedenen Aufnahmen?
… Ich auch nicht. – Und genau das sollte der Test zeigen: Die Bildqualität bzw. das Bildrauschen ist in jedem Fall identisch.
Der Sensor der Sony
ist folglich ISO-invariant.ISO-Invarianz existiert somit wirklich und Aufnahmen verschiedener ISO-Werte resultieren in identischer Bildquallität, sofern die Belichtung angeglichen wird.
q.e.d.
Stacking der Einzelaufnahmen: Tücken bei der Entwicklung
Natürlich wollte ich die drei Bilderserien auch anhand meines Tutorials Astrofoto: Milchstraße fotografieren & entwickeln mit darktable, GIMP & Sequator entwickeln und miteinander vergleichen, um auf Nummer Sicher zu gehen.
Ich exportierte dafür alle 36 Aufnahmen mit 12 x ISO 800, 12 x ISO 1600 und 12 x ISO 3200 und stackte diese in Sequator.
Die entstandenen, gestackten drei TIFF-Dateien importierte ich wieder nach
und korrigierte für die ISO-800-Variante die Belichtung um +2 LW sowie für die ISO-1600-Variante die Belichtung um +1 LW nach oben.Das Ergebnis erstaunte mich, denn – entgegen meiner Annahme – unterschieden sich die TIFF-Dateien in Sachen Belichtung:
Die Belichtungsanpassung nach dem Stackingprozess führte also nicht zum erwarteten Ergebnis, sondern resultierte in unterschiedlich belichteten und teilweise überbelichteten Bildern.
Insbesondere die ISO-800-Aufnahme war durch einen überbelichteten Bereich entlang des Horizonts unbrauchbar geworden.
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Die TIFF-Dateien, die Sequator generiert, sind somit unbrauchbar, um die Belichtung anzupassen.
Vielmehr sollte die Belichtung daher bereits vor dem Stackingprozess direkt auf Basis der RAW-Dateien korrekt eingestellt werden.
Nächster Versuch: Belichtungskorrektur vor dem Stacking
Nachdem der erste Entwicklungsversuch mit unterschiedlichen ISO-Werten fehlschlug, machte ich einen weiteren Test:
Ich korrigierte diesmal die Belichtung der RAW-Einzelaufnahmen, BEVOR ich diese für das Stacking mit Sequator exportierte. D.h. wieder wurde die Belichtung der ISO-800-Bilder um +2 LW sowie die der ISO-1600-Bilder um +1 LW erhöht.
Danach wurden die angepassten Aufnahmen als TIFF-Dateien erneut exportiert, mit Sequator gestackt und nach
importiert.Jetzt gleich ich nochmals die Belichtung der gestackten Bilder aneinander an und entwickelte sie direkt:
Diesmal war das Ergebnis absolut identisch und wie ich es vor meinem Test erwartet hatte.
Bedeutet also, dass die Belichtung der Einzelaufnahmen VOR dem Stacking und nicht danach angepasst werden muss, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Fazit
ISO-Invarianz gibt es wirklich. 😉
Der zuvor beschriebene Test hat eindeutig gezeigt, dass sich Fotos mit unterschiedlichen ISO-Werten nicht hinsichtlich des Bildrauschens unterscheiden, sofern die Belichtung angeglichen wird.
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Dieses Wissen erspart beim Fotografieren jede Menge Arbeit. – Denn man muss sich den Kopf nicht länger darüber zerbrechen, ob der richtige ISO-Wert gewählt wurde.
Mir stellt sich aber noch die Frage, wie es mit einem zu hohen ISO-Wert aussieht, dessen Folge ausgebrannte bzw. überbelichtete Stellen sind. Ob diese Stellen dann keine Bildinformationen mehr enthalten und sich folglich im Rahmen der Nachbearbeitung ebenfalls nicht mehr „retten“ lassen, bleibt noch zu testen.
Im Zweifel wählt man aber – dank ISO-Invarianz – den ISO-Wert zu niedrig. – Wohlwissend, dass man alles noch bei der
„richten“ kann.Übrigens entstand im Zuge dieses Tests sogar noch ein schönes Astrofoto der Milchstraße, das ich natürlich nicht vorenthalten möchte:
Viel Spaß beim ISO-invarianten fotografieren der Milchstraße! 😎
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Weiterführende Themen:
- Astrofotografie: Einstieg & Basiswissen
- Astrofotografie FAQ: Häufige Fragen einfach erklärt. Voraussetzungen, Kameraeinstellungen, Bildentwicklung.
- Astrofotografie-Kalender: Mond, Sternschnuppen, Milchstraße und Deep Sky-Objekte auf einen Blick
- Der ultimative Astrofoto-Guide: Brillante Astrofotos der Milchstraße Schritt für Schritt mit Adobe Lightroom LrC, Photoshop, Sequator und StarXTerminator entwickeln.
- Tutorial: Entwicklung von Astrofotos