Nach beinahe dreimonatiger Winterpause war es wieder soweit: Ich brach einmal mehr frühmorgens und mitten unter der Arbeitswoche am 10. Februar auf, um die Wintermilchstraße zu fotografieren. 😎
Endlich erhebt sich das galaktische Zentrum wieder über den Horizont und die neue Milky Way Season 2022 hat begonnen.
Zwar ist die Wintermilchstraße noch nicht besonders spektakulär, aber selbst ein unspektakuläres Bild unserer Heimatgalaxie ist nach dreimonatiger Astro-Abstinenz besser, als gar kein Bild. 😉
Nach den durchwachsenen Ergebnissen im Februar letzten Jahres und der Erkenntnis, dass der spannendste – weil hellste – Teil der Milchstraße in unseren Breitengraden noch nicht sichtbar ist, wusste ich bereits, welches Resultat mich erwarten würde: Ein relativ kontrastarmer Winterhimmel, der es mir schwer machen würde, die Milchstraße im Zuge der Nachbearbeitung mit darktable, GIMP und Sequator herauszuarbeiten.
Dennoch waren im Vergleich zum Vorjahr die Wetterbedingungen hervorragend: Es war nämlich satte 16°C wärmer, als auf meiner Tour im letzten Februar 2021.
Oder anders gesagt: -10°C 2021 vs. +6°C 2022. Beinahe sommerlich. 😎
Das machte es mir relativ leicht, frühmorgens an einem Donnerstag und mit der Aussicht auf ein paar Aufnahmen der Wintermilchstraße aufzubrechen.
Leider musste ich bereits vorab auf dem Wetterradar feststellen, dass der Himmel – entgegen der vorabendlichen Vorhersage – teilweise mit Nebel und Wolkenschleiern verhangen war.
Darüber hinaus war es sehr windig, sodass ich mit meinem Körper versuchte, Stativ und Kamera vor dem Wind abzuschirmen, um Verwackler zu vermeiden. – Zum Glück erfolgreich, wie ich zuhause erleichtert feststellen durfte.
Wie immer war ich mit meiner Sony Alpha 6400 und meinem neuen Walimex 12mm f/2 unterwegs. Das Objektiv löst meine alte, baugleiche Samyang-Linse ab, nachdem ich feststellen musste, dass letztere leider dezentriert ist.
Inhalt:
Februar-Milchstraße #1
Die erste Aufnahme entstand gegen 05:40 Uhr.
Das galaktische Zentrum befand sich zu dieser Zeit nur etwa 2° über dem Horizont. – Zu niedrig, um über die Bergrücken entlang des Horizonts auf dem obigen Bild hinauszuragen.
Zu sehen ist nur der – im Vergleich zum galaktischen Zentrum – verhältnismäßig unspektakuläre Teil der Wintermilchstraße.
Zudem verdeckten die Wolkenschleier leider einen großen Teil der Milchstraße. – Das finde ich aber halb so schlimm, denn das verleiht dem Bild gleichzeitig auch etwas Interessantes.
Neue Wege: Halbe Belichtungszeit, doppelter ISO-Wert
In der Aufnahmephase beschritt ich im Gegensatz zum vorherigen Jahr neue Wege: Ich machte die Aufnahmeserie mit 10 anstatt 20sec Belichtungszeit und verdoppelte den ISO-Wert zur Kompensation von 3200 auf 6400.
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Warum?
Weil ich in einem Vergleichstest im Winter herausfand, dass bei einer Verdopplung des ISO-Wertes auf 6400 keinerlei Qualitätseinbußen erkennbar sind, sofern mit Stacking gearbeitet und genügend Aufnahmen angefertigt werden.
Gleichzeitig konnte ich jedoch die Belichtungszeit von 20 auf 10sec halbieren, um die Sterne punkt- und nicht strichförmig abzubilden.
Auch wenn nach der 500er Regel theoretisch mit dem Walimex 12mm f/2 bis zu 27sec Belichtungszeit möglich wären, bilden in der Praxis Sterne schon bei 20sec leichte Striche. Das fällt zwar in der Regel erst bei starker Vergrößerung auf, stört aber dennoch etwas.
Ich orientier(t)e mich diesmal stattdessen an der NPF-Formel und erhielt nach meinem NPF-Rechner mit der halben Belichtungszeit deutlich bessere Resultate. Im Gegensatz zur 500er Regel bezieht die NPF-Formel nämlich neben der Brennweite auch die Pixeldichte mit ein und ist deshalb wesentlich präziser.
Die restlichen Kameraeinstellungen waren Standardkost. Als Blende wählte ich wie üblich f/2.8.
Zusammengefasst heißt das: Ich machte 16 Aufnahmen mit je 10sec Belichtungszeit bei Blende f/2.8 und ISO 6400.
Die Wartezeit je Serie verringerte sich dadurch ebenfalls von ursprünglich 300sec auf nur noch 160sec. – Meiner Meinung nach ein großer Vorteil. Denn die gesparte Zeit kann man gut auf die Suche nach weiteren Bildkompositionen verwenden.
Entwicklungsprozess
Beim Entwicklungsprozess orientierte ich mich, wie sonst auch, an meinem Tutorial Astrofoto: Milchstraße fotografieren & entwickeln mit darktable, GIMP & Sequator.
Die Entwicklungsschritte waren im Einzelnen:
- Vorbereitung der Aufnahmen zum Stacking: In darktable habe ich in den RAW-Aufnahmen zunächst die chromatischen Aberrationen und tote Pixel entfernt sowie die Objektivverzeichnung mithilfe des Moduls „Objektivkorrektur“ korrigiert.
- Stacking mit Sequator: Mit dem kostenlosen Tool Sequator wurden daraufhin die 16 Aufnahmen „gestapelt“, um das Bildrauschen zu minimieren.
- Entwicklung mit darktable: Im dritten Schritt folgte schließlich der eigentliche Entwicklungsprozess. Dort korrigierte ich Weißabgleich, Kontrast, Sättigung und Belichtung. Zudem arbeitete ich mithilfe des Tools / Moduls „Kontrast Equalizer“ die sehr kontrastarme Wintermilchstraße besser heraus.
- Feinschliff mit GIMP: Im finalen Schritt wurde nochmals die Farbkurve des Sternenhimmels angepasst, um den Kontrast der Milchstraße weiter zu erhöhen. Darüber hinaus stellte ich den Vordergrund frei, um diesen unabhängig vom Sternenhimmel entwickeln zu können und so den Dynamikumfang zu erhöhen.
Et voila: Fertig war die Aufnahme. 🙂
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Zum Vergleich hier eine nicht entwickelte Einzelaufnahme:
Februar-Milchstraße #2
Die zweite Aufnahme dieses Februarmorgens entstand, mit geringfügig veränderter Perspektive, kurz vor der astronomischen Dämmerung gegen etwa 06:00 Uhr.
Das galaktische Zentrum ist leider auch hier noch verdeckt, wenngleich über den Bergen bereits etwas mehr Konturen der Milchstraße erkennbar sind, als auf dem vorherigen Foto.
Weiterführendes Thema zum Schlagwort "Milchstraße":
Nice to know: Der helle Punkt direkt über den Bergen ist übrigens nicht der Mond, sondern die Venus.
Der starke Wind, den ich eingangs im Beitrag erwähnte, ist hier gut an den Gräsern im Vordergrund erkennbar. Durch die lange Belichtungszeit erscheinen sie teilweise unscharf.
Der Aufnahme- und Entwicklungsprozess war ansonsten identisch zum ersten Bild des Beitrags.
Fazit
Es hat sich nach langer Wartezeit mal wieder gelohnt – auch wenn die Resultate nicht optimal sind. Mehr ist aber im Februar auch nicht zu erwarten.
Die relativ warmen Temperaturen in Kombination mit dem unbeschreiblichen Gefühl, alleine unter dem Sternenhimmel zu stehen und die Milchstraße zu fotografieren, waren einfach wieder einmal genial.
Das macht Lust auf mehr und ich freue mich schon jetzt auf die kommenden Monate mit dem saisonalen Highlight im Mai und Juni. Dann steht das galaktische Zentrum mit 12,4° im Jahresverlauf am höchsten am Horizont und die Bilder werden hoffentlich wieder spektakulär. – Sofern das Wetter mitspielt und mir keinen Strich durch die Rechnung macht.
Mein neues Walimex-Objektiv hat die Bewährungsprobe jedenfalls bestanden und ich freue mich auf viele weitere Aufnahmen unserer Heimatgalaxie.
Jetzt gilt es erst einmal auf das nächste passende Zeitfenster vom 27.02. bis zum 11.03. zu warten und zu hoffen, dass das Wetter dann mitspielen wird.
Das galaktische Zentrum wird sich Mitte März bereits deutlich am Himmel zeigen und erreicht schon eine Höhe von ca. 9°.
Beste Voraussetzungen also für weitere tolle Astrofotos! 🙂
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- Der ultimative Astrofoto-Guide: Brillante Astrofotos der Milchstraße Schritt für Schritt mit Adobe Lightroom LrC, Photoshop, Sequator und StarXTerminator entwickeln.
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Hendrik